Laufbahn

Hans Aeblis wissenschaftliche Interessen galten

  • der kognitiven Psychologie (Denken, Begriffsbildung, Lernen, Problemlösen) und
  • der Entwicklungspsychologie und
  • deren Anwendung auf die pädagogische Psychologie, insbesondere auf die Didaktik.

Zürcher Volksschullehrer
Obwohl Hans Aebli viele wichtige Lebensabschnitte nicht in Zürich verbrachte, fühlte er sich zeitlebens als Zürcher. In den Jahren des Zweiten Weltkrieges besuchte er das Seminar Küsnacht bei Zürich und anschliessend das Zürcher Oberseminar, wo der Kanton Zürich damals seine Lehrerinnen und Lehrer ausbildete. Anschliessend war er eine Zeitlang als Volksschullehrer tätig.

Studium bei Jean Piaget in Genf
Von Walter Guyer, einem der bedeutendsten Schweizer Pädagogen jener Zeit und damaligem Direktor des Zürcher Oberseminars, erhielt Hans Aebli, der zunächst Anglistik hatte studieren wollen, den entscheidenden Hinweis, beim grossen Genfer Entwicklungspsychologen und Erkenntnistheoretiker Jean Piaget Psychologie zu studieren. Hans Aebli arbeitete in verschiedenen von Piagets berühmt gewordenen Versuchen mit Kindern mit und verfasste bei ihm seine in sieben Sprachen übersetzte Dissertation "Didactique psychologique. Application à la didactique de la psychologie de Jean Piaget" (1951).

Sie baut auf den entwicklungspsychologischen und erkenntnistheoretischen Erkenntnissen Piagets auf und macht diese für die Didaktik und den Unterricht fruchtbar. Später entstanden auf ihrer Grundlage die "Grundformen des Lehrens" (1961) und die "Zwölf Grundformen des Lehrens" (1983), eine Didaktik auf kognitionspsychologischer Grundlage, deren Ziel die operatorische Beweglichkeit des Denkens ist, sowie die "Grundlagen des Lehrens" (1987). In ihr erfuhren die Grundformen des Lehrens eine wesentliche Ausweitung und Ergänzung, bis hin zum eigenständigen Lernen.

Piagets Werk, insbesondere dessen Begriff der "mise en relation", bildet die eine Wurzel von Hans Aeblis wissenschaftlicher Position. Piagets Gedanke der Konstruktion wurde für ihn wegleitend. Er entwickelte ihn jedoch wesentlich weiter zur Vorstellung, dass die kognitive Entwicklung die unter Anleitung erfolgende geistige Leistung des Kindes ist, durch die sich dieses, von gemachter Erfahrung ausgehend, seine eigenen Strukturen des Handelns, Denkens und Wissens aufbaut. Dieser Aufbau erfolgt nach Hans Aebli unter mehr oder weniger systematischer Anleitung. In der Schule ist sie am systematischsten und erfordert von der Lehrperson hohe psychologische und didaktische Fähigkeiten.

Zweitstudium in den USA
Eine zweite Wurzel entstand während Hans Aeblis Zweitstudium in Minneapolis (Minnesota, USA) Ende der vierziger Jahre des 20. Jahrhunderts. Während dieser Zeit wurde er über den Erziehungsphilosophen John Dewey mit dem amerikanischen Pragmatismus vertraut. Menschliche Handlungen erleiden nach Dewey immer wieder Pannen. Um sie fortzusetzen, bedarf es des Nachdenkens und Problemlösens. Handeln ist wesentlich Problemlösen, Handeln können somit Denken können. Unterricht muss lebensnahe Probleme thematisieren, die das Interesse der Kinder wecken und ihnen Gelegenheit geben, durch problemlösenden Aufbau neue Strukturen zu bilden und in ihnen geistig beweglich zu werden.

Umsetzungen für Didaktik und Unterricht
Eine dritte Wurzel von Hans Aeblis Lebenswerk besteht in der Verbindung von Kognitionspsychologie und Unterricht, deren Anfänge in die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts zu Johann Friedrich Herbart zurückreichen. Bei Hans Aebli führte sie zu einer strukturellen Entwicklungs-, Handlungs-, Denk- und Lerntheorie und einer Folge von didaktischen Stufen im Lernprozess, an denen sich Lehrpersonen beim Unterrichten orientieren können.

Jean Piagets genetischer Konstruktivismus und Hans Aeblis Antwort darauf
Zeit seines Lebens stand Hans Aebli einem reformpädagogischen Überoptimismus skeptisch gegenüber, der unrealistische Annahmen über das kindliche Vermögen ohne jede Anleitung macht. In diesem Punkt trennte er sich in seiner Habilitationsschrift "Über die geistige Entwicklung des Kindes" (1963) von Piaget. Für Hans Aebli verläuft die kognitive Entwicklung im Sinne Vygotskys von aussen nach innen und, je nach Voraussetzung, mehr oder weniger angeleitet von kompetenteren Partnern ("Von Piagets Entwicklungspsychologie zur Theorie der kognitiven Sozialisation", 1978).

Lernen, Denken und Problemlösen sind immer zunächst sozial und reflektieren die Kultur und das soziale Milieu, in der die aus dem kompetenteren und dem weniger kompetenten Partner bestehende Dyade ihren Dialog führt. Allmählich internalisieren Lernende den Problemlösemodus, der zunächst noch sozial unterstützt war. Irgendwann interagieren sie geistig mit sich selbst, wie sie es vorher mit einem kompetenteren Partner getan haben, und übernehmen die Verantwortung für ihr autonomes Lernen, Denken und Problemlösen.

Lehrerbildner, Universitätsprofessor und Ausbildner von Lehrerbildnerinnen und -bildnern
Seit Hans Aebli im Spätsommer 1950 von den USA in die Schweiz zurückgekehrt war und am Zürcher Oberseminar einen Lehrauftrag angetreten hatte, war Lehrer/innenbildung für ein Jahrzehnt sein berufliches Tätigkeitsgebiet, unterbrochen von einer Lehrstuhlvertretung in Psychologie an der Universität Saarbrücken (1955-57). Von 1962-66 wirkte Hans Aebli als Professor und, alternierend mit Hans Hörmann, als Direktor des Psychologischen Instituts an der Freien Universität Berlin.

Von 1966-71 war er Professor der Psychologie an der neu gegründeten Universität Konstanz. Er gehörte zu den ersten sechs Professoren und baute das Psychologische Institut auf. 1971 wurde er an die Universität Bern berufen. Hier entfaltete er bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1988 eine äusserst rege wissenschaftliche und ausbildungsbezogene Tätigkeit. Zu letzterem gehörte die Gründung und der Aufbau der Abteilung Pädagogische Psychologie, in welche er einen Studiengang zur Ausbildung von Lehrern und Sachverständigen der Bildungs- und Erziehungswissenschaften (LSEB), das sog. Berner Seminarlehrerstudium, integrierte. Zahlreiche Dozierende der Lehrerinnen- und Lehrerbildung in der Schweiz gingen daraus hervor.

Hans Aeblis Initiativen für eine moderne Lehrerbildung spiegelt sich auch in seiner Tätigkeit in der Expert(inn)engruppe "Lehrerbildung von morgen" (1971-76), die die Reform der Lehrer/innenbildung in der Schweiz zum Ziel hatte. In den letzten Jahren als Professor beschäftigte sich Hans Aebli in Wissenschaft und Forschung mit der Selbststeuerung des Lernens und seiner Förderung in der Schule.

Emeritierung, Pilgerreise nach Santiago de Compostela, Forschungsaufenthalt in Australien, Erkrankung und Tod
Nach seiner Emeritierung Ende Sommersemester 1988 pilgerte Hans Aebli zusammen mit seiner Frau Verena Aebli-Näf auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela. Für eine breitere Leserschaft entstand aus dieser Erfahrung sein letztes Buch "Santiago, Santiago..." (1990). Wissenschaftlichen Zwecken diente ein Aufenthalt in Australien, den Hans Aebli im Februar 1990 antrat. Früher als geplant, musste er krankheitshalber im Mai zurückkehren. Am 26. Juli 1990 starb Hans Aebli in Burgdorf (Schweiz), wo einst Pestalozzi gewirkt hatte.

Würdigung
Hans Aebli war Pädagoge im umfassenden Sinn, mit tief verankerten ethischen Werten und hoher Verantwortung für die (geistige) Entwicklung derer, die sich ihm zuwandten. Wer in seine Welt eintrat, erfuhr die Weite, Klarheit, Präzision und Eigenständigkeit seines Denkens. Auch international wirkte Hans Aeblis wissenschaftliches Werk nachhaltig. Äusseres Zeichen dafür sind die Ehrendoktorate der Universität Turku in Finnland (1986) und der Pädagogischen Hochschule Kiel (1987).

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